Trauma und Traumaüberwindung - Trauma and Overcoming Trauma

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Auch wenn manche glauben, man sollte mit 67 über Traumata aus der Kindheit hinweg sein, so funktioniert es nicht. Traumata verschwinden nicht einfach, Trigger können dich erwischen, sobald es z.B. in Gruppendynamiken Übereinstimmungen gibt mit sich wiederholenden Ereignissen in der Kindheit. Und nicht immer läuft die Aktivierung des Traumas eins zu eins ab. Es muss keine Person sein, die dich schlägt wie deine Mutter, um zu triggern. Es können ähnliche Verhaltensweisen sein wie dich und deine Hilfsbedürftigkeit zu übergehen, dir demonstrativ Desinteresse zu zeigen, dich in Fehler hineinlaufen zu lassen mit falschen oder fehlenden Informationen etc. etc.

 

Bei einem Nähkurs kam letzthin eine Frau und sagte sinngemäss schon beim Reinkommen: „Ihr müsst wissen, dass ich wahnsinnig aufgeregt bin. Ich hatte heute schon den ganzen Morgen Durchfall, weil ich als Anfängerin in diesen Kurs komme. Ich hatte als Kind schreckliche Erlebnisse in der Nähschule.“ Diese Frau ist heute 70 Jahre alt.

 

Bei mir als 7jährigem Mädchen war es die Mutter. Bei meiner Tagesmutter, die zwei Söhne und zwei Töchter hatte, war stricken angesagt. Sie zeigte auch mir die Anfänge. Aber ich musste natürlich noch üben. Also bat ich meine Mutter, mir zu helfen. Sie tat es. Stellte sich hinter mich und schlug mich jedesmal, wenn ich einen Fehler machte oder nicht schnell genug verstand, was sie von mir wollte, so stark wie möglich aus dem Hinterhalt auf die Wange oder den Hinterkopf. Ich sah den Schlag nie rechtzeitig kommen. Er kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Es endete damit, dass mein Hirn sich ausschaltete, meine Ohren nicht mehr wahrnehmen konnten, was mir gesagt wurde und meine Augen nicht mehr sahen, was links oder rechts war. Auch bei anderen. Ich geriet in panische Angst und alles in mir blockierte. Von ihr konnte ich mir nichts mehr zeigen lassen. Viele Jahre nicht. Erst ca. 20 Jahre später bat ich sie am Telefon, mir zu sagen, wie die Fersen von Socken gestrickt werden. Pullover oder andere grössere Projekte lasse ich bis heute weg.

 

Als ich mit neun Jahren in die Handarbeitsschule kam, sollten wir bei einer alten Lehrerin, die Stellvertretung machte für eine Junge, die erst drei Wochen später anfing, eine Puppe stricken. Rundherum. Immer in derselben Richtung. Ich schaffte es, mal in die eine, mal in die andere Richtung zu stricken. Und wurde, als wäre es selbstverständlich oder mein Schicksal, zum Gespött der Lehrerin und der Mitschülerinnen. Es war gelaufen. Das einzige Mal, bei dem ich in den nächsten Jahren etwas wirklich mit Freude machte, war fünf Jahre später, nachdem mein Bruder zur Welt gekommen war und ich für ihn in der Schule eine Latzhose nähte. Die habe ich heute noch.

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Selfies

Mit ca. 27 oder 28 versuchte ich es mit einem Nähkurs. Doch waren da zum einen viele Teilnehmerinnen und zum anderen agierte die Nähkursleiterin wie eine drohende Bulldogge. Ich liess den Kurs sausen. Mit 35 nähte ich mir mal ein schmales Kleid aus blauer Seide, indem ich das Oberteil zeichnete und dann die Linien weiterführte, so dass ich am Schluss ganz zufrieden war. Es gab allerdings keine Fortsetzung.

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Erst als ich dank meiner Thuner Freundin G mit ca. 55 im Berner Oberland zu einer anderen Nähkursleiterin kam, kehrte die Freude zurück. Inzwischen war allerdings der Hashimoto aktiv und die medikamentöse Einstellung unfassbar schwierig, so dass meine Aufnahme- Konzentrations- und Wiedergabefähigkeit sowie die Gedächtnisleistung stark eingeschränkt waren. Auch spürte ich zuweilen die Panik im Hintergrund. Aber mit Geduld und Schritt für Schritt Anleitung gelang es dieser Lehrerin und Haute Couture-Schneiderin i.d.R. mich nicht zu triggern. So eine Lehrerin ist Gold wert. Danke.

 

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Even if some people believe that you should be over childhood traumas by the age of 67, it doesn't work that way. Traumas don't just disappear, triggers can catch you out as soon as there are similarities in group dynamics, for example, with recurring events in childhood. And the trauma is not always activated one-to-one. It doesn't have to be a person who hits you like your mother to trigger. It can be similar behaviours such as ignoring you and your need for help, demonstratively showing you disinterest, letting you run into mistakes with false or missing information etc. etc.

 

A woman came to a sewing course and said as soon as she walked in: "You should know that I'm really excited. I've had diarrhoea all morning today because I'm coming to this course as a beginner. I had terrible experiences at sewing school as a child." This woman is now 70 years old.

 

For me as a 7-year-old girl, it was my mum. My childminder, who had two sons and two daughters, taught me how to knit. She also showed me how to get started. But of course, I still had to practise. So I asked my mum to help me. And she did. She stood behind me and hit me as hard as she could on the cheek or the back of the head from behind every time I made a mistake or didn't understand what she wanted me to do quickly enough. I never saw the blow coming in time. It came like a bolt from the blue.

 

It ended with my brain switching off, my ears no longer being able to hear what was being said to me and my eyes no longer seeing what was left or right. Even with others. I panicked and everything inside me blocked. I couldn't let her show me anything anymore. Not for many years. It wasn't until about 20 years later that I asked her on the phone to tell me how to knit the heels of socks. To this day, I don't do jumpers or other larger projects.

 

When I started needlework school at the age of nine, we were supposed to knit a doll by an old teacher who was standing in for a younger teacher, who only started three weeks later. All the way round. Always in the same direction. I managed to knit sometimes in one direction, sometimes in the other. And, as if it were a matter of course or my destiny, I became the laughing stock of the teacher and my classmates. It was over. The only time I really enjoyed doing something over the next few years was five years later, after my brother was born and I sewed dungarees for him at school for toddlers. I still have them today.

 

When I was about 27 or 28, I tried a sewing course. But there were a lot of participants and the sewing course instructor acted like a threatening bulldog. I cancelled the course. When I was 35, I sewed myself a narrow dress out of blue silk by drawing the top and then continuing the lines so that I was completely satisfied at the end. However, there was no continuation.

 

It was only when I came to another sewing course instructor in the Bernese Oberland at around 55 thanks to my friend G from Thun that the joy returned. In the meantime, however, Hashimoto's was active and the medication was incredibly difficult to adjust, so that my ability to absorb, concentrate, my ability to reproduce as well as my memory were severely impaired. I also felt the panic in the background at times. But with patience and step-by-step instructions, this teacher and haute couture dressmaker generally managed not to trigger me. A teacher like that is worth her weight in gold. Thank you.

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Konstruktives Feedback im Gästebuch ist immer willkommen - Constructive feedback in the guest book always is welcome

 

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