Unser Geschichtslehrer an der Bezirksschule, P. Z., hatte die Angewohnheit, Prüfungen mit vier oder fünf Fragen zu gestalten. Zu Beginn eines Schuljahres fragte er uns einmal nach unseren Wünschen bzw. nach Kritik. Ich erinnere mich speziell daran, dass wir ihn baten, er möge doch bei Prüfungen mehr Fragen stellen. Bei vier oder fünf Fragen war das Risiko einfach hoch, dass ein Kind zwei oder drei Fragen nicht oder ungenügend beantworten konnte und schon war die Note ungenügend.
Er werde uns in Zukunft auch Prüfungen mit zehn Fragen vorlegen, versprach er uns.
Prüfung um Prüfung kam und ging vorbei, ohne dass unser Geschichtslehrer sein Versprechen eingelöst hätte. Wir sprachen ihn nochmals darauf an. Die nächste Prüfung würde zehn Fragen enthalten, sicherte er uns zu. Es verging Woche um Woche, Prüfung um Prüfung. Alles blieb beim alten.
Eines Tages hatten wir genug. Wir beschlossen, bei der nächsten Prüfung, die wieder nur drei, vier oder fünf Fragen enthielte, zu streiken. Der Tag kam. Wir sollten
uns so auseinandersetzen, dass jeweils ein Platz zwischen uns leer blieb. Diese Aufforderung befolgten wir. Das Blatt mit den Prüfungsfragen wurde verteilt. Auch dieses Mal hielt er sein
Versprechen nicht.
Nun, die Etuis blieben geschlossen. Der Lehrer, der schon an seinem Schreibtisch sass und eigene Arbeiten zu erledigen begonnen hatte, bemerkte nach einiger Zeit, dass niemand schrieb.
Zu Beginn blieb er gelassen. Offenbar ging er davon aus, dass wir irgendwann schon noch zu schreiben anfangen würden. Was genau in der ersten Zeit dieser 45 oder 50
Minuten gesprochen wurde, weiss ich nicht mehr. Aber ich erinnere mich, dass wir klar äusserten, warum wir nicht schrieben. Er nahm es zur Kenntnis und erledigte danach weiter eigene Arbeiten,
seine Gesichtsfarbe jedoch hatte etwas gelitten.
Kurz nach Stundenmitte fand er dann, diejenigen, die sich eine ungenügende Note leisten könnten, bräuchten ja nicht zu schreiben. Die anderen sollten jetzt aber damit beginnen, die Fragen zu beantworten.
Da war er, der gefürchtete Moment. Ich schaute von einer zum anderen, hinter mir, vor mir. Würde jemand umkippen? Doch nein, keine einzige Schüler*in öffnete das Etui. Niemand begann zu schreiben.
Die Gesichtsfarbe des Lehrers indes wechselte wieder. Von rot zu weiss zu rot. Er wartete noch ein paar Minuten, dann liess er die Blätter einsammeln und begann mit Unterricht zu Kaiser Napoleon. Mir kam es vor, als beteiligten sich alle mehr als sonst. Jedenfalls ging diese Unterrichtsstunde dem Ende zu, als P. Z. meinte, wir wollten nicht in Unfrieden auseinandergehen. Es werde keine Benotung geben, dafür als nächste schriftliche Prüfung eine, wie er sie versprochen habe.
Danach hielt er sein Wort. Ich erinnere mich, dass ich mächtig stolz war auf unsere Klasse. Auf jede einzelne, jeden einzelnen von uns. Keine*r hatte sich einschüchtern lassen. Und wir waren dafür eingestanden, dass auch Erwachsene ihre Versprechen erfüllen mussten.
Our history teacher at the district school, P. Z., had a habit of organizing exams with four or five questions. At the beginning of a school year, he once asked us for our wishes or for criticism. I particularly remember that we asked him to pose more than three, four or five questions in the exams. With less questions, the risk was simply high that a child could not answer two or three questions either inadequately or not and the grade was already insufficient. In the future he would also be presenting tests with ten questions, he promised.
Exam after exam came and passed without our history teacher having fulfilled his promise. We talked to him again. The next test would contain ten questions, he assured us. It passed week after week, exam by exam. Everything stayed the same.
One day we had enough. We decided to go on strike at the next test, which again had only three, four or five questions. The day came. We should sit in such a way that between each one remained an empty place. We followed this request. The sheet with the exam questions was distributed. Again, he did not keep his promise.
Well, the cases remained closed. The teacher, who had already sat at his desk and started to do his own work, noticed after a while that nobody wrote.
At first he remained calm. Apparently he assumed that we would start writing at some point. What exactly in the first time of these 45 or 50 minutes was spoken, I do not remember. But I remember that we clearly stated why we didn't write. He took note of it and then continued to do own work, but his facial complexion had suffered a bit.
A little over halfway through the lesson, he found that those who could afford an inadequate note would not need to write. The others should start answering the questions now.
There he was, the dreaded moment. I looked from one to the other, behind me, in front of me. Would someone tip over? But no, not a single student opened his pencil case. Nobody started to write.
The face colour of the teacher, however, changed again. From red to white to red. He waited a few more minutes, then collected the sheets and then began teaching
about the Emperor Napoleon. In the following minutes it seemed to
me that everyone was involved more than usual. Anyway, shortly before the lesson ended, P. Z. told us he wants to end this quarrel before we left the classroom, that there will be no grading on
this occasion and that the next written exam will be with ten questions, as promised.
After that he kept his word. I remember being very proud of our class. Every single one of us. No one had accepted to be intimidated. And we stand up for, adults too had to live up to their promises.
*****
Konstruktive Beiträge im Gästebuch sind willkommen - Constructive feedback in the guestbook are welcome
*****