Hashimoto

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In den letzten 14 Monaten musste ich ein paar Experimente machen, weil es mir zuvor 1 ½ Jahre lang körperlich wieder nicht mehr gut ging.

Die Diagnose erhielt ich 2009 nach mehreren Jahren Fehl- und Nichtdiagnosen, als ich kurz vor dem Koma war. Der Arzt, zu dem ich neu kam, war Schulmediziner und Homöopath. Nach der gründlichen Anamnese schlug er vor, die Leber zu testen. Zum Glück hatte ich ein paar Tage zuvor am Telefon mit meiner alten Ärztin gesprochen, die als junge Medizinerin auf dem Gebiet geforscht und mir empfohlen hatte, unbedingt die Schilddrüse testen zu lassen. Alle meine Symptome würden auf Probleme mit der SD hindeuten. Also bat ich den neuen Arzt zusätzlich die Schilddrüsenwerte zu testen. Natürlich kam dabei heraus, dass meine Leber wunderbar in Ordnung war. Aber mein Immunsystem war durchgeknallt. Es eliminierte die Schilddrüse. Seit wie lange schon? Vier Jahre, 10 Jahre?

Ausserdem hatte ich ab 2008 drei Jahre lang immer wieder über mehrere Monate hinweg Durchfall und nahm innert Kürze nochmals 15 kg zu, obwohl ich über viele Wochen nur noch Schleimsüppchen und Bouillon zu mir nahm! Ich kannte jedes öffentliche WC auf meinen Einkaufswegen und oft genug musste ich in der Stadtbibliothek eine halbe Stunde „sitzen“ um einigermassen sicher mit den ÖV wieder nach Hause fahren zu können.

Es kam mir vor, als hätte ich gleichzeitig eine 365tägige Dauergrippe, eine Vergiftung und Unter- oder Überzuckerung. Und das mir, die sich immer gesund ernährte und ausreichend bewegte.

Im Januar 2011 wurde auch noch eine Laktoseintoleranz festgestellt. Gluten verursacht ebenfalls Probleme, wirkt sich aber wenigstens nicht so explosionsartig aus wie die Laktoseintoleranz. Damals sagte man mir, die Laktoseintoleranz und die Glutenunverträglichkeit seien Folgeerkrankungen des Hashimoto.

Wobei inzwischen nicht mehr so klar ist, was zuerst war. Mediziner*innen hegen heute den Verdacht, dass der Darm zuerst gestört sei, die Schleimhaut verdünnt, so dass Stoffe statt ausgeschieden zu werden durch den Darm in den Körper gelangen könnten, wo sie nicht hingehören. Worauf das Immunsystem mit Dauerbeschuss reagiere und schlussendlich "ausraste" und die diversen Autoimmunerkrankungen auslöse (s. u.a. Dr. Susan Blum „Autoimmunerkrankungen erfolgreich behandeln; 2014).

Nach der Diagnose hatte ich grosses Glück: Ich recherchierte im Zwischennetz, fand den Schilddrüsenverein Schweiz, wurde Mitfrau und hielt Ausschau nach weiteren Betroffenen in meiner Gegend um eine Selbsthilfegruppe (SHG) gründen zu können. Im Dezember 2009 trafen wir uns das erste Mal. Damals auf privater Basis, später dann im Selbsthilfezentrum als offizielle Gruppe.

Die ersten 1 ½ Jahre schluckte ich brav die Euthyrox, welche mir mein Arzt verordnete, fühlte mich aber drei, vier Wochen nach einer Dosiserhöhung immer schon wieder gleich wie vor der Diagnose. 15 Symptome heute, tags darauf 5 weg, dafür 7 andere dazu etc. Ich nahm zwar in 18 Monaten fünf von den 20 Kilos ab, die ich insgesamt wegen der Erkrankung zugenommen hatte, fühlte mich jedoch weiterhin miserabel, obwohl ich sicher genügend Euthyrox substituierte: nach 1 ½ Jahren lagen die Werte der FT4 bei 21,5 (Labor-Obergrenze damals 22) und FT3 6,3 (Obergrenze 6,8).

Gleichzeitig befand ich mich allerdings auch in einer High-Stress-Situation, weil gschaffige, religiöse Fanatiker aus der Gegend, wo ich seit meiner Rückkehr in die Schweiz lebte, nichts damit anfangen konnten, dass eine "faul herumhockt", am "rechten Glauben" – denn natürlich können nur sie den rechten Glauben haben – nicht interessiert ist und statt dessen bunte Fähnchen auf den Balkon hängt und Kieselsteine auf den Balkonsims legt; und – „der Gipfel“ – manchmal auch noch fröhlich ist und singt ... Darauf dass Menschen auch singen können, wenn sie sich in einer Situation unbehaglich fühlen, kamen sie natürlich nicht. Ohne die gewalttätigen Übergriffe wäre es leichter gewesen, mit der Substitution den Hashimoto "in den Griff" zu bekommen.

In der SHG beobachtete ich bei zwei der Teilnehmerinnen, die auf Armour Thyroid, ein natürliches Schweineschilddrüsenpräparat mit T3 und T4 umgestiegen waren, dass es ihnen über längere Zeit besser ging und beschloss im Januar 2011 auch auf Armour umzusteigen.

Der Erfolg war für meine Verhältnisse, auf diesem tiefen Level durchschlagend. Ich hatte endlich wieder etwas mehr Energie, wenn auch mit Einbrüchen, verlor in drei Monaten weitere 12 kg eingelagertes Wasser und die Symptome wurden deutlich schwächer. Die Erschöpfung und die Muskelschwäche blieben jedoch auch während der nächsten drei Jahre.

Das Schönste aber war ein Erlebnis, das ich am fünften (5!) Tag nach der ersten Einnahme hatte. Ich sass im Zug und wurde plötzlich sehr aufmerksam. Etwas war anders. Völlig anders. Mit der rechten Hand griff ich nach meinem linken Arm, nach meinen Beinen und JA DAS BIN! ICH DAS BIN JA ICH! Vor Erleichterung weinte ich. Endlich. Endlich konnte ich mich wieder fühlen. Dieses schreckliche Gefühl, zwei Meter neben mir zu stehen, war weg. Ich war IN meinem Körper.

Ab Ende 2012 erlebte ich wieder immer öfter gesundheitliche Einbrüche. Anfang 2014 erfuhr ich, dass es bei Dauergaben von Armour Thyroid zu einer Überversorgung mit T3 kommen könne. Das Verhältnis bei Armour ist T4:T3 = 4:1, was offenbar auf die Dauer eine künstliche Überfunktion verursachen kann. Bzgl. des "normalen" Verhältnisses bei gesunden Menschen scheinen sich die Geister in der Medizin zu streiten. Die einen sprechen von T4:T3 bis 20:1, andere von maximal 10:1. Zunächst begann ich die Dosis langsam zu reduzieren.

Ein Termin bei der Gynäkologin im Mai 2014 brachte die Erkenntnis, dass meine weiblichen Hormone auch für eine Frau, die sich in der Nach-Menopause befindet, zu tief waren. Obwohl Naturheilkundlerin, riet sie mir zu einer Substitution mit einer auf die Haut aufzutragenden Salbe mit bioidentischem Östradiol und Progesteron. Ich liess mich darauf ein, weil ich sonst nicht aus noch ein wusste.

Vier Monate lang fühlte ich, damals 58, mich so gut wie mit 48 das letzte Mal. Da hatte ich alleine während dreier Tage 9 Ster Holz zu Beigen gestapelt :-)

Ab Ende August 2014 bekam ich Herzrasen. Mein Ruhepuls, sonst zwischen 58 und 63 war nach einer halben Stunde Liegens immer noch auf 120. Entgegen der früher vertretenen Lehrmeinung, dass die Substitution von weiblichen Hormonen die Aufnahme von T3 senke, wurde sie massiv gesteigert. Das Labor ergab einen T3-Wert von 10,2.

Nun, ich bin inzwischen weit weg gezogen von diesen menschenverachtenden und lebensfeindlichen Fanatikern und habe u.a. eine neue Gynäkologin. Sie meinte, ich solle probieren ohne die Östrogen/Progesteron-Substitution auszukommen. Ich sei am Ende der Postmenopause, die bei mir eh schon 12 Jahre dauert. Danach werde es mir sowieso um vieles besser gehen. Ich habe dich gehört, V. :-)

Die Östrogen/Progesteron-Hormonmischung habe ich inzwischen im zweiten Anlauf ausgeschlichen. Beim ersten war ich vielleicht etwas zu radikal. Ich fühlte mich auch nicht wirklich sicher, ob es das richtige sei und probierte es nochmals.

Ende 2014 bin ich umgestiegen von Armour Thyroid auf ein Extrakt mit Schweineschilddrüsenhormonen, welches von der Klösterl-Apotheke in München im Verhältnis T4:T3 = 5:1 hergestellt wird. Die Spesen (Versand und Bankgebühren) sind allerdings so horrend, dass ich das in der Form nicht weiterführen will. Seit sechs Wochen bin ich sehr vorsichtig in einer Umstiegsphase um mit Armour und Euthyrox eine verträgliche Mischung von T4 und T3 hinzubekommen. Das fühlt sich derzeit gut an.

(Das gute Gefühl hielt jedoch nur kurz an. 12.07.2017)

Was ich im Zusammenhang mit dem Hashimoto immer wieder so schwierig finde, sind die unerklärlichen Abstürze und das darauf folgende rumexperimentieren. Wenn ich am einen Knoten des Hormonnetzes ein µ verändere, kann das an einem anderen Knotenpunkt zwischen einem Orkan und einem lauen Lüftchen alles auslösen. Und wenn ich wissen will, was funktioniert wie, also nur eine Sache aufs Mal verändere, dann vergeht so viel Zeit. Das sind pro Umstellung drei, vier, fünf Monate Lebenszeit. Und manchmal mag ich die einfach nicht hergeben und mache (sehr selten) gleichzeitig mehrere Experimente, auch wenn ich grundsätzlich gerne wissen würde, was warum funktionierte.

Was sehr unschön ist: die Krankenkasse zahlt nur für synthetische Schilddrüsenhormone. Die Schweineschilddrüsenhormone bezahle ich selber.

Mehrere schlechte Erfahrungen hatte ich mit Fach- wie Hausärzten, die ziemlich schlecht informiert waren/sind. Da wäre mir jeweils lieber, sie würden sagen, dass auch sie zuwenig wissen.

Seit letzten Dezember verzichtete ich auf die regelmässige Seleneinnahme, 200 mg/Tag. Meine neue Endokrinologin fand das sinnvoll. Seither musste ich jedoch feststellen, dass ich vermehrt Entzündungen habe. Also nehme ich jetzt auch wieder Selen.

Grundsätzlich bin ich derzeit etwas stabiler als noch vor drei Jahren.

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